Literarischer Fallout

Von Dieter Buchelt

 

Kein Zweifel, wir leben in Zeiten des multiplen Rankings.

 

Kaum ein Gebiet des täglichen Lebens und der außergewöhnlichen Ereignisse, das nicht listenmäßig untersucht wird. Begann das zunächst mit schönsten Ausflugszielen und Lieblingsgerichten der Regionen, werden mittlerweile Hitlisten der untalentiertesten Einbrecher oder Überfälle und der rasantesten Verfolgungsjagden aufgestellt.

 

Doch es gibt auch in Zeiten der medialen Verblödung, Gebiete, um die Rankingbesessene bisher einen Bogen gemacht haben: eines davon sind die Lieblingsbücher.

 

Und das gerade dort, wo einst ein Volk der Dichter und Denker gelebt haben soll. Doch gerade dort soll dieses Terrain wieder gut gemacht werden, haben wir nicht Traditionen, die zu Guttenberg und wahrscheinlich auch deshalb lächelt uns zurzeit von großen Werbeflächen eine junge Dame an, die ultimativ dazu aufruft: SCHREIB DEIN BUCH! Aber der ist ja männlichen Ursprungs. Ja „schreib dein Buch“ und da fallen uns sofort die vielen mehr oder weniger Prominente ein, die es nicht lassen können, ihre letzten und ungefragten Wahrheiten über sich oder andere auszuplaudern.

 

Wer will das wissen und schade um die vielen Bäume, offerieren uns orthodoxe Grüne, von denen es aber immer wenigere gibt. Nichtsdestotrotz soll es aber im Volk noch unentdeckte Schreibtalente geben und an diese ist der Aufruf gerichtet, aber worüber soll man schreiben, wenn man mit den literarischen Ergüsse nicht nur die Verwandtschaft malträtieren will? Wie schon angedeutet, Rankings um Lieblingsbücher sind extrem rar, sie würden wahrscheinlich ein nicht so schmeichelhaftes Licht auf die deutsche Leselandschaft werfen. Bessere Aussichten, zu erfahren, was Erfolg verspricht, bieten diverse Bestsellerlisten, beispielsweise die vom Spiegel.

 

Entscheiden müßte man sich zwischen Belletristik und Sachbuch - und dann sollte man sie an der Börse verfolgen - welcher Titel steigt nach oben, welcher Titel sinkt ab.

 

So sind Trends auszumachen, die eigenes Schaffen und Vermarkten erleichtern. Bleiben wir bei der Belletristik: Im Heft 10 kann Jan Weiler auf dem ersten Platz noch IM REICH DER PUBERTIERE weilen.

 

Doch bereits im Heft 11 wird er von Siegried Lenz als DER ÜBERLÄUFER auf Platz 4 verbannt. Auch Weilers nachgeschobenes Werk DAS PUBERTIER sinkt von 7 auf 10 herab. Er kann sich aber trösten.

 

Auch das aktuelle Buch des Papstes IM NAMEN GOTTES IST BARMHERZIGKEIT verlor einen Platz, jetzt die 15 von 20 Bewertungen. Die Grünen, derzeit in Nachwahl-Euphorie können auch an der Sachbuchfront punkten.

 

Ihr von Peter Wohlleben in den Überzeugungskampf geschicktes Werk DAS GEHEIME LEBEN DER BÄUME ist einfach nicht von Platz eins zu vertreiben. Oder doch?

 

Hitlers MEIN KAMPF – EINE KRITISCHE EDITION , also mit wissenschaftlich-literarischem Begleitschutz, um nicht falsch verstanden zu werden, hat sich in Blitzkriegsmannier vom 5. auf den 2. Platz geschossen, so sind halt die Trends, die zu beachten wären, sollten solche Marktanalysen nicht weiter interessieren, kann man immer noch SEIN BUCH schreiben, auch wenn es keine keine Sau interessiert.

 

D.B.

 

 

 

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