Ein Gespenst geht um in Prenzlauer Berg. Nein, nichts wirklich Politisches und zu einem Manifest reicht es schon gar nicht. Denn in Zeiten grenzenloser medialer Öffentlichkeit bleiben auch Gespenster nicht lange im Verborgenen … es ist eher die Privatfehde eines Anwohners mit umliegenden Spätverkaufsstellen. Ein 58-jähriger Bauarbeiter soll es sein, der bei seinen ausgedehnten Rad-Touren durch den Kiez 50 Spätverkaufsstellen aufgelistet hat, die an Sonntagen gegen die Ladenöffnungszeiten verstoßen. Diese, seine private Liste der „Gesetzeslosigkeiten“ hat er dem Ordnungsamt übermittelt und die gelangte so schließlich zum Gewerbeaußendienst des Landeskriminalamtes. Und da können bei Kontrollen schon einmal erhebliche Bußgelder anfallen, beginnend bei 150,- Euro, bei „uneinsichtigen Händlern“ dürfen es bis zu 2.500,- Euro sein. Auch Ladenschließungen bleiben nicht ausgeschlossen, in den letzten drei Jahren war das für vier Läden der Fall.
Was ist der Hintergrund dieses seltsamen Kleinkrieges? Schon in der einstigen DDR gab es Spätverkaufsstellen, deren Sonderrechte mit der deutschen Einheit aufgehoben wurden. Die 90´er Jahre waren begleitet von juristischem Kleinkrieg der Imbissbetreiber gegen die Spätverkaufsläden, sie sahen eine unlautere Konkurrenz in deren Alkoholika-Verkauf zu günstigeren Preisen – und das auch noch in ihrem eigenen Umfeld. Erst mit dem neuen Ladenöffnungsgesetz ist es seit 2006 erlaubt, von Montag bis Sonnabend rund um die Uhr Waren aller Art zu verkaufen. Besonders die Supermarktketten machen davon regen Gebrauch. Eine Besonderheit bildet aber noch der Sonntag – und gerade der ist in heutiger Zeit hart umkämpft: Nur bis 16 Uhr dürfen demnach Geschäfte öffnen, die ausschließlich Blumen, Zeitschriften, Backwaren und Milchprodukte anbieten. Bis 20 Uhr ist der Verkauf von „Reisebedarf“ erlaubt, also Landkarten, Stadtpläne, Souvenirs, Ansichtskarten, Tabakwaren und Lebensmittel die zum „sofortigen Verzehr“ bestimmt sind. Und da beginnt schon das Dilemma, zwischen Gesetzgebung und dem realen Leben. Als ich am letzten sonnigen Märzsonntag abends von einer Radtour zurückkehrte, hatte sich im Hinterhof meines Hauses, neben den Rädern, eine gemütliche Runde zusammengefunden. Einem Paar aus dem Haus steht der Umzug bevor und sie feierten ihren Abschied mit den Anwohnern ganz unkompliziert in frühlingshafter Abendstimmung. Wie günstig ist es doch bei kurzfristiger Einladung zu dieser Runde einen Spätverkauf um die Ecke zu wissen, bei dem man noch schnell eine Flasche Wein als Mitbringsel erwerben kann …
Tom Rehlert (Mittwoch, 20 April 2016 08:57)
Spritzige Glosse, wie immer bei Erfolgsautor Dieter Buchelt. Schade, daß man nichts mehr von Dieter Buchelt in den "Prenzlberger Ansichten" liest...
Jetzt sind die ohne Buchelt richtig langweilig geworden. Dafür liest man ihn hier umso lieber.