Telefunken: Hommage an eine deutsche Weltmarke der Kommunikation und Technik

Von Sarah Bergmann

Telefunken Nauen bei Berlin 1920
Telefunken Nauen bei Berlin 1920

Hommage an Telefunken

 

Gründung in Berlin

 

Im Mai 1903 wurde das Unternehmen Telefunken unter dem Namen “Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m. b. H.” in Berlin gegründet.

 

Als die Firma 1967 in die AEG eingegliedert wurde, verlor sie zwar ihre Eigenständigkeit, der “Telefunken-Geist” jedoch soll in den Nachfolgeunternehmen, die einstige Arbeitsgebiete von Telefunken weiterführen, noch immer spürbar sein, und dieser Geist hat jetzt sogar ein dickes, großformatiges Buch hervorgebracht.

 

“Telefunken nach 100 Jahren – Das Erbe einer deutschen Weltmarke” heißt es, ist im Berliner Nicolai-Verlag erschienen und enthält verschiedene reich illustrierte Beiträge von ehemaligen Telefunkern und Mitarbeitern der Nachfolgeunternehmen, die die Geschichte der Firma und ihre bahnbrechenden Errungenschaften in der Nachrichten-, Unterhaltungs- und Kommunikationstechnik eindrucksvoll dokumentiere.

 

Im einleitenden Teil des Buches wird die Geschichte des Unternehmens Telefunken in den historischen Kontext eingeordnet. Der rasante Aufstieg des Unternehmens ist nicht zu denken ohne Wilhelms II. Rüstungsund Kolonialpolitik; Telefunken stattete Heer und Marine mit Funkstationen aus und errichtete Funknetze in den deutschen Kolonien und Protektoraten.

Einen weiteren großen Absatzmarkt bot die zivile Seefahrt, denn seit dem Untergang der Titanic 1912 war es für alle Schiffe mit mehr als 50 Personen an Bord Pflicht, daß sie über eine ständig betriebsbereite Funktelegraphiestation verfügten.

 

1920 hatte der deutsche Rundfunk seine große Stunde. Am 22. Dez. wurde von der Station Königs Wusterhausen (bei Berlin) erstmalig ein Weihnachtskonzert ausgestrahlt. 1923 begann der reguläre deutsche Rundfunkbetrieb, der erste Sender stand im VoxHaus nahe dem Potsdamer Platz in Berlin. In der Folge entstand ein flächendeckendes Rundfunksendernetz, es wurde zum überwiegenden Teil von Telefunken errichtet.

Die Nationalsozialisten, die den Wert des Fernsehens für die Verbreitung ihrer Propaganda erkannt hatten, trieben seine Entwicklung vehement voran. Mit Erfolg – am 22. März 1935 wurde der Deutsche Fernsehrundfunk als erster regelmäßiger Fernsehbetrieb der Welt eröffnet. Die ersten Fernsehsender befanden sich in der Station Berlin-Witzleben und waren von Telefunken gefertigt worden.

 

Vom Zusammenbruch des Dritten Reichs blieb natürlich auch Telefunken nicht verschont. Fabrik- und Sendeanlagen wurden demontiert, etwa 230 der qualifiziertesten Telefunkeningenieure wurden in der Nacht aus ihren Betten gerissen und zum Arbeiten in die Sowjetunion deportiert, eine Aktion, die unter dem Stichwort “Wiedergutmachung” lief. Trotzdem erholte sich das Unternehmen relativ schnell und spielte schon bald wieder eine wichtige Rolle, z. B. lieferte Telefunken den Sender für den legendären RIAS (“Rundfunk im amerikanischen Sektor”), dem vor allem während der Berliner Blockade (Juni 1948 bis Mai 1949) eine immense Bedeutung zukam.

 

Ende der 50er Jahre wurde am Ernst-Reuter-Platz in Berlin-Charlottenburg die neue Firmenzentrale errichtet (welcher Berliner kennt das alles überragende Telefunken-Hochhaus nicht?), da jedoch die wirtschaftliche Situation Westberlins nach Bau der Mauer 1961 schwieriger und die politische Lage äußerst instabil geworden war, verlagerte Telefunken seine Betriebsstätten, Forschungsinstitute und Büros nach und nach in andere Teile Deutschlands, und mit der Fusion mit dem AEG-Konzern wurde auch die gerade erst erbaute Firmenzentrale aufgegeben und eine gemeinsame Zentrale in Frankfurt am Main bezogen.

 

Der Hauptteil des Telefunken-Buchs beschäftigt sich mit den technischen Leistungen, die von der Firma und ihren Nachfolgeunternehmen auf den verschiedenen Arbeitsgebieten erbracht wurden. Es sei erwähnt, daß ihr außerordentlicher Pioniergeist den Forschern von Telefunken über 20.000 Patente einbrachte. An dieser Stelle können lediglich exemplarisch ein paar Meilensteine der Technikgeschichte, welche eng mit dem Namen Telefunken verknüpft sind, skizziert werden:

Seit der Entstehung des Rundfunks hat es auf diesem Gebiet zwei grundlegende Revolutionen gegeben. Die erste erfolgte 1949 mit Einführung des UKW-Rundfunks, welcher auf einem Patent des Telefunkeningenieurs Fritz Schröter beruht. In “Telefunken nach 100 Jahren” heißt es dazu: “Die erheblich bessere Tonqualität beim UKW-Rundfunk – der deshalb auch etwas euphorisch “Welle der Freude” genannt wurde – gegenüber der Lang-, Mittel- und Kurzwelle löste bei den Hörern Begeisterung aus.” In den folgenden 50 Jahren “entstanden bei Telefunken mehrere Generationen von UKW-Sendern, die den jeweils neuesten Stand der Technik repräsentierten und der Firma hohes Ansehen auf dem nationalen und internationalen Markt sicherten. Im deutschen UKW-Sendernetz stammt annähernd jeder zweite Sender aus dem Hause Telefunken.” (S. 70f.) Die zweite Revolution ist die Digitalisierung des Rundfunks. Die digitalen Tonsignale sind qualitativ hochwertiger als die analogen, außerdem ist der digitale Rundfunk für den mobilen Empfang besser geeignet, mit ihm treten beispielsweise im Autoradio keine lästigen  Empfangsunterbrechungen und Störgeräusche mehr auf. Der digitale Rundfunk wird daher den analogen UKW-Rundfunk in Zukunft vollständig ersetzen. An der Entwicklung der beiden wichtigsten Systeme DAB (Digital Audio Broadcasting) und DRM (Digital Radio Mondiale) war und ist die Firma Telefunken Sendertechnik maßgeblich beteiligt.

 

Wie den Rundfunk hat Telefunken auch das Fernsehen von Anfang an begleitet. 1930 erfand Fritz Schröter das Zeilensprungverfahren für ein flimmerfreies Fernsehbild. Dieses Verfahren wird heute noch angewendet. 1936 erfolgte die weltweit erste Fernseh-Live-Übertragung anläßlich der XI. SommerOlympiade in Berlin. Der Mann hinter der Kamera, Walter Bruch, war Mitarbeiter bei Telefunken und hatte diese erste elektronische Kamera selbst konstruiert. Walter Bruch hat sich noch in einem anderen Zusammenhang einen großen Namen gemacht: er ist der Erfinder von PAL (Phase Alternating Line), einem Farbfernsehsystem, daß sich gegenüber den Vorgängern NTSC (USA) und Secam (Frankreich) dadurch auszeichnete, daß bei ihm keine Farbverfälschungen mehr auftraten. Trotz der weitaus höheren Qualität war es aus machtpolitischen Gründen schwierig, PAL gegenüber den Amerikanern und Franzosen durchzusetzen, jedoch auch das gelang. Zitat aus “Telefunken nach 100 Jahren”:

Als Vizekanzler Willy Brandt am 25. August 1967 (...) anlässlich der Eröffnung der 25. Internationalen Funkausstellung in Berlin mit dem berühmten Druck auf den roten Knopf (...) das Zeitalter des Farbfernsehens in Deutschland eröffnete, war aus Walter Bruch “Mr. PAL” geworden und Telefunken konnte sich erfolgreich der nächsten Herausforderung widmen: PAL kurzfristig in mehr als 70 Ländern einzuführen und damit eine größere Verbreitung als NTSC und Secam zu erreichen.” (S. 108)

Ein wichtiger Zweig von Telefunken ist die Halbleitertechnik. Halbleiter bilden die Basis der integrierten Schaltungen (ICs), auf denen die gesamte moderne Elektronik beruht. Dank vieler innovativer Leistungen konnte das TelefunkenNachfolgeunternehmen Atmel Germany GmbH Marktführer auf dem Gebiet der Silizium-Germanium-Schaltungen werden, die weltweit stark im Kommen sind. Die von Atmel produzierten Schaltungen werden u. a. in Handys eingebaut.

 

Nichts geht heutzutage mehr ohne die globalen Nachrichtenübertragungs- und Kommunikationsnetze. Diese bestehen aus Richtfunkanlagen, Kabeln, Satelliten usw., welche im Laufe der Jahre immer moderner und leistungsstärker wurden, was in beträchtlichem Umfang der Firma Telefunken zu verdanken ist. Um nur ein Beispiel zu nennen: 1964 wurde im Telefunken-Forschungsinstitut in Ulm der Wert der Glasfaser für die Informationsübertragung erkannt. Daraufhin begannen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, von deren Ergebnis wir alle profitieren: “Wer heute ein Ferngespräch führt oder gar ein Überseegespräch, z. B. nach New York, ist oft erstaunt, wie gut die Sprachqualität ist. Keine Verzerrungen, kein lästiges Rauschen stören! Man hat den Eindruck, der Gesprächspartner befinde sich im Nachbarhaus. Dass dies heute so ist, verdanken wir der Digitaltechnik und nicht zuletzt der Glasfaser, über die noch so mächtige Nachrichtenströme mühelos übertragen werden können. Selbst in den modernen Seekabeln befinden sich die haardünnen Fasern, und nach einer rund 4.000 km langen “Unterseereise” zwischen Europa und New York kommen die Nachrichtensignale unverzerrt und ohne große Verzögerung an.” (S. 204)

 

“Telefunken nach 100 Jahren” ist für Laien verständlich geschrieben, liefert aber auch für Experten viele interessante technische Details. Die große Bedeutung, welche der Firma Telefunken für die unterschiedlichen elektronischen Medien und andere Bereiche der Elektrotechnik zukommt, wird schön herausgearbeitet, es werden aber auch die Leistungen anderer Forscher, die mit dem Unternehmen nichts zu tun haben, gewürdigt, so daß man die Entwicklung bestimmter Innovationen in ihrem Gesamtzusammenhang verfolgen kann.

 

Die Marke "Telefunken" hat sich erhalten und erfreulicherweise auf dem Weltmarkt wieder gut etabliert. Zwar wird viel in China produziert, der Geist und die Ideen stammen aber aus Deutschland. Wer mit “Telefunken nach 100 Jahren” eine lehrreiche und spannende Reise durch die Geschichte der Firma unternommen hat, wird die Genüsse, die uns die Audio- und audiovisuellen Systeme verschaffen, nicht mehr mit so viel Selbstverständlichkeit hinnehmen, er wird mit anderen Augen fernsehen und mit anderen Ohren Radio hören.

 

Thiele, Erdmann (Hg.): Telefunken nach 100 Jahren – Das Erbe einer deutschen Weltmarke Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 2003

 

(E.A.M. Berlin 06-2017) S.B.

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