Schwimmen im Aquarium

Schwimmen im Aquarium?

Von Dieter Buchelt

Nein, einen Badesommer hatten wir wirklich nicht. Da werden Schwimmbegeisterte vielleicht jetzt öfter erwägen, ihren bisher gebremsten Bewegungsdrang in einem der Berliner Stadtbäder auszutoben. Und inmitten quirligen Lebens rückt auch das Stadtbad Oderberger Straße bisweilen ins Blickfeld öffentlichen Interesses. Doch jetzt soll es ernst werden mit der Suche nach einem neuen Investor, der das um 1902 im Jugendstil erbaute und 1986 für den Badebetrieb geschlossene Bad aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Immerhin hatte das morbide Gebäude vielfältige Nach- und Zwischen­nutzungen erlebt, die auch immer wieder die Frage nach einer Wiederinbe­trieb­nahme als öffentliches Bad aufwarfen: Ein Trockenschwimmer-Festival er­­- zähl­te Geschichten um die Geschichte dieses Bades, Schauspielaufführungen wie „Treibeis“ 2007 und „Mainstream“ 2007, Ausstellungen wie „Badegäste“ oder „Das jüdische Paradies“ bekundeten immer wieder ein großes allgemeines Interesse an diesem historischen Ort. In letzter Zeit machte es eher Schlag­zeilen als morbid-schöne Partylo­ca­tion. Auf der Jubiläumsfeier einer Illus­trierten legte DJ Mosey, alias Pierre Sarkozy, Sohn des französischen Präsi­denten, für betuchte Gäste auf. Cham­pag­ner floss angeblich in Strömen – das Becken blieb weitgehend trocken, der Verfall des Baues indes ging weiter.

 

Die Stiftung Denkmalschutz Berlin hatte das Bad 2007 für einen Kaufpreis von 100.000 Euro vom Liegenschaftsfond übernommen. Das war an die Bedingung gebunden, bis Ende 2011 wieder ein öffentliches Bad einzurichten. Seit Ende Juni beteiligt sich nun auch der Bezirk an der Suche nach einem neuen Inves­tor, denn die Zeit drängt. Gelingt das Vorhaben nicht, könnte der Liegen­schafts­fond bereits 2012 die Immobilie wieder zurückfordern. Die Stiftung hingegen benannte Gründe, warum es bisher nicht funktionierte. Christian Mel­chert, Stellvertreter des Vorstands­vor­sitzenden Lothar de Maizière, sprach von in Aussicht gestellten Fördermitteln der öffentlichen Hand, die aber nicht bewilligt wurden. Außerdem sei ein öffentliches Bad hier nicht wirtschaftlich zu betreiben, doch gerade solch eine Nutzung hätten die BVV und das Bezirksamt vorgegeben. Aber es gebe da einen Inves­tor, so Melchert, der mehr als 20 Millio­nen Euro investieren wolle. Ein sogenanntes Floatarium, ein aquarium­ähn- ­liches Glasbecken sollte das marode und lecke Schwimmbecken ersetzen ...


Spannend wird das alles auch dadurch, dass die Stiftung zusätzlich zu ihrem Kauf­preis noch 500.000 Euro, angeblich für Aufwand- und Planungsleistungen, erwartet. Sollte sich kein Investor dafür bereit erklären, könnte der Verkauf platzen und das Bad geht wieder an den Liegenschaftsfond.

Am 8. September kam es dann zum ersten Showdown im Pankower BVV-Saal. Eingeladen hatten die Ausschüsse Stadt­entwicklung und Wirtschafts­för­de­rung, Finanzen und Immobilien und Ver­tre­ter der BVV. Bei dieser öffentlichen Anhö­rung konnten sich auch die Anwohner ein Bild von den drei Konzepten für das Stadtbad machen. Dass es zu einem öffentlichen Verfahren kam, ist wiederum der Stiftung zu verdanken, die mit dem Vorhaben, von einem genehmen Inves­tor das Bad sanieren zu lassen, letztendlich am Bezirksamt scheiterte. Und damit war nun alles wieder offen.

Im gutbesetzten BVV-Saal, zwei Drittel Abgeordnete und Interessenvertreter, ein Drittel Besucher, wurde über die drei Konzepte beraten und das zeitweise recht emotional.

 

Realace GmbH, die bis vor kurzem eng mit der Stiftung Denkmalschutz verbunden war, will 22 Millionen Euro investieren und drei Bereiche schaffen die als „Badekultur“, „Erholung und Schlaf“, „Restaurant, Tagescafé und Esskultur“ bezeichnet werden. In das bisherige Becken käme die Badeskulptur des schon beschriebenen Floatariums. Von außen wären die darin „Floatenden“ nicht zu sehen, könnten aber durch die verspiegelten Scheiben nach außen blicken. Die vorgesehene Mischnutzung aus Spa, Hotel und Gastronomie stieß auf Kritik, da ihr viel Oberfläche im Vergleich zur Gebrauchsfläche vorgeworfen wurde.

 

Noch höher hinaus will die de Gier-Gruppe. Mit 50 Millionen Euro Investi­ti­ons­summe möchte der Berliner Bauin­vestor das Bad denkmalgerecht sanieren und es als Spa eröffnen; auch ein Hotel­neubau sei geplant. Ob jedoch 800 Be­sucher pro Tag die verschiedenen Ei­n­rich­tungen auslasten werden bleibt ungewiss. Beachtlich der Mut des Investors auf eine diesbezügliche Rückfrage hin: „Wir brauchen die Ausstattung um die Umsätze zu erfüllen – ob das funktioniert und ich die 50 Millionen nicht auch verlieren kann, das kann ich jetzt nicht sagen.“

 

Ganz anders dagegen der dritte Mit­be­werber. Die GLS-Sprachenschule kommt angeblich mit 12 Millionen Euro aus. Sie will ebenfalls einen öffentlichen Bade­be­trieb einrichten und gleichzeitig das Bad als Unterkunft für Sprachschüler nut­zen, für die etwa 80 Hotelzimmer entstehen sollen. Immer wieder verweist Barbara Jaeschke, Leiterin der GLS, auf die Synergieeffekte mit dem benachbarten Gebäude der Sprachenschule, was die Kosten senken würde. Auch kämen viele der Schüler mit dem Flugzeug, was die Problematik freier Parkplätze mindere. Und mit einem leidenschaftlichen Appell: „Wir sind der Mittelstand. Sie können uns den Kopf abreißen wenn nichts passiert. Ich gebe 300.000 Euro im Jahr für Prospekte aus – ob ich da vier Seiten mehr für das Oderberger Bad machen lasse ist egal – kostet nichts!“ „Das sind doch Synergieeffekte!“, beendete Frau Jaeschke ihr Plädoyer.

Nun waren wieder die gewählten Volks­vertreter gefragt, sich für ein Konzept zu entscheiden. Interessant, mit Hinblick auf die nächste BVV dazu, fragte ein Vertreter der LINKEN, ob es sich um eine öffentliche oder nichtöffentliche Sitzung handeln würde: „Es könnte ja sein, dass wir über Dinge reden, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten.“ Ein­deu­tige Antwort des Versammlungs­leiters, die nächste BVV-Sitzung ist wieder öffentlich. Schließlich entschied man sich doch für die GLS-Sprachenschule aus.

 

 Dieter Buchelt im Oktober  2011

 

 

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