Terror und Freiheit: Versuch einer technischen Analyse eines politischen Problems

Von Jens-Michael Groß

 

Vor nicht langer Zeit, am 13. November 2015, wurde Paris von einer Reihe von Terroranschlägen erschüttert, die mindestens 129 Menschenleben gefordert haben. Die erste Reaktion darauf dürfte bei allen, die davon gehört haben, gleich gewesen sein: Schock, Entsetzen, Angst. Bei den Angehörigen der Opfer kommen dazu Trauer und Wut. Das ist verständlich, weil es menschlich ist. Bilder vom geschehen werden von den Nachrichtensendern in die ganze Welt verbreitet. Mit ihnen das Entsetzen. Die Menschen haben ein Recht auf Information. Und die Medien einen Wunsch nach Einschaltquoten. Und je schockierender, brutaler die Berichterstattung, desto höher die Einnahmen.

 

Das klingt zynisch, ist aber eine altbekannte Tatsache: Sex und Gewalt sind die Medien-Verkaufsschlager #1. Gesunde Drillingsgeburten und eiserne Hochzeiten findet man nicht mehr auf den Schlagseiten. Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. Damit werden die Medien allerdings auch zu Erfüllungsgehilfen des Terrorismus. Je mehr und detaillierter über einen Anschlag berichtet wird, desto mehr Wirkung zeigt er. Terrorismus lebt davon, dass über ihn berichtet wird. Davon, dass sich die Angst verbreitet.

 

Die zweite Reaktion ist ebenfalls verständlich, weil menschlich: die Forderung nach mehr Sicherheit, nach Schutz. Eine Forderung, die von den Politikern gerne aufgenommen wird. Mehr Schutz bedeutet natürlich mehr Überwachung der Bürger, mehr Einschränkung der Freiheiten, mehr Polizei, mehr Geheimdienstliche Arbeit und am Ende eine Stabilisierung der Regierungsmacht. Alles zum Wohl der Bürger, die es ja so gewünscht haben. Dabei ist eigentlich jedem klar, dass es 100%igen Schutz nicht geben kann, wie es z.B. der Berliner Innensenator Frank Henkel jüngst öffentlich zugegeben hat. Auch hier sind die Medien nicht unbeteiligt:  Neben Sex und Gewalt sind Anfeindungen gegen die Politik ein weiterer 'Verkaufsschlager'.  Mit provokanten Fragen wie 'Warum wird nicht…?' und 'warum hat nicht...?' werden 'die Wünsche der Bevölkerung' kommuniziert - oder ihr in den Mund gelegt. Und am Ende spielt auch dies den Terroristen in die Hände.

 

Tatsächlich ist es so, dass der Aufwand für Schutzmaßnahmen um Größenordnungen schneller steigt als der daraus resultierende Nutzen. Das gilt für jegliche Form von Schutzmaßnahmen. Letztlich ist es der Terrorist, der Ort und Zeit bestimmt. Während der Schutz uns Tag für Tag ununterbrochen kostet. Nicht nur Geld, sondern auch einen immer größeren Teil unserer Freiheit, unseres Lebensstils, unserer Existenz. Und für jede Gegenmaßnahme gibt es eine gegen-Gegenmaßnahme, die in der Regel weit einfacher und billiger ist als die Aufwendungen zur Abwehr. Ein einfaches Beispiel sei das Fahrrad. Ein Kettenschloss soll vor Diebstahl schützen. Das hält sicherlich einen Gelegenheitsdieb ab, aber ein professioneller Fahrraddieb braucht nur einen einfachen Bolzenschneider, um beliebig viele Fahrräder mit beliebig vielen teuer gekauften Kettenschlössern zu stehlen. Profitieren tut davon letztlich nur der Hersteller von Kettenschlössern. Beliebig viele weitere Schutzmaßnahmen erhöhen den Aufwand beträchtlich, halten einen Profi jedoch nicht ab. Beim Terrorismus ist es ähnlich: egal, wie viele Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, es wird immer einen Weg um sie herum geben. Was also tun?

 

Politische, wirtschaftliche oder gar militärische Lösungsversuche haben das Problem des Terrorismus bisher nicht in den Griff bekommen. Vielleicht kann eine technische Herangehensweise einen Lösungsweg aufzeigen.

Aus Sicht eines Ingenieurs hat das Problem drei Komponenten: Ursache, Medium und Wirkung. Unmittelbare Ursache, also Quelle des Terrorismus sind zweifelsfrei die Terroristen selbst. Wobei zwischen den Hintermännern und den ausführenden Handlangern unterschieden werden muss. Medium sind die Menschen, auf die sie ihre Anschläge verüben. Die primäre Wirkung sind Angst und Schrecken. Inwieweit darüber hinaus weitere, indirekte Ziele angestrebt werden, darüber kann man nur spekulieren. Das vordergründigste Ziel ist die Zerrüttung und Zerstörung der westlichen Kultur.

 

Gelingt es, eine dieser drei Komponenten zu entfernen, gibt es keinen Terrorismus mehr. Das klingt natürlich einfacher als es getan ist. Betrachten wir zunächst das Medium. Opfer der Anschläge sind Menschen. Entzieht man den Terroristen die Menschen, kann es keine Anschläge mehr geben. Die Absage des Länderspiels am Dienstagabend war insofern eine wirkungsvolle Maßnahme und hat einen wahrscheinlichen Terroranschlag effektiv verhindert. Ein gewonnenes Duell bedeutet jedoch keinen gewonnenen Krieg. Es gibt andere Gelegenheiten. Wollen wir jedes Fußballspiel, jeden Karnevalsumzug absagen, jede Discothek schließen? Sicherlich nicht. Die ultimative Lösung wäre natürlich ein kollektiver Selbstmord. Keine Menschen, kein Terrorismus. So einfach - und so wenig sinnvoll. Das Medium zu entfernen ist also kein praktikabler Weg.

 

Nächster Ansatz wäre es, die Ursache zu beseitigen. Daran arbeiten Politik, Geheimdienste, Polizei und Militär. Es scheint offensichtlich, dass es ohne Terroristen keine Terroranschläge mehr geben kann. Das Problem dabei ist nur, dass es keinem Terroristen ins Gesicht geschrieben steht. Viele spätere Massenmörder, denn ungeachtet ihrer Motivation sind sie letztlich nichts anderes, haben vorher noch freundlich mit ihren Opfern geplaudert, waren angenehme, freundliche Nachbarn, Freunde, Söhne und Töchter braver Eltern. Oft werden junge Menschen, die von ihren Familien entfremdet und entwurzelt sind, gezielt als künftige Selbstmordattentäter rekrutiert. Ihnen wird vorgegaukelt, dass sie nun zu einer neuen Familie gehören, in der sie geschätzt und gar bewundert werden. Am Ende wurden sie einer regelrechten Gehirnwäsche unterzogen und glauben, das richtige zu tun, ohne jedes Schuldbewusstsein und ohne jedes äußere Anzeichen, das sie verdächtig machen würde. Um einen vollständigen Schutz zu erzielen und jeden Terroristen sicher zu stoppen, müssten wir nicht nur eine totale Überwachung zulassen, sondern auch eine nicht geringe Anzahl unschuldiger Opfer in Kauf nehmen. Es wäre faktisch das Ende unserer Zivilisation. Daher ist der Versuch, den Terror an der Quelle aufzuhalten, von vornherein zum Scheitern bestimmt. Entweder ist er nutzlos oder, und damit kämen wir zur dritten Komponente, der Terrorismus hätte sein (vordergründiges) Ziel erfüllt: die Zerstörung unserer Lebensweise.

Damit wären wir bei der Wirkung terroristischer Anschläge und den Zielen des Terrorismus angelangt. Wenn das Ziel unerreichbar ist, hat es keinen Sinn, Anschläge zu verüben. Was wollen Terroristen also erreichen? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie es zunächst scheint.

 

Jene, die die Anschläge verüben, das 'Fußvolk', haben meistens religiöse Gründe. Die Bewohner des Abendlandes wären Ungläubige, die westliche Lebensweise sei dekadent, gegen Gottes Willen. Dabei sind Christen, als 'Schriftbesitzer' (Bibel) in der Einstufung des Koran weit weniger 'ungläubig' (eine nur teilweise zutreffende Übersetzung des Wortes 'Kafir', welches eher 'Leugner' bedeutet) als Atheisten oder Polytheisten. Sie glauben ja an denselben Gott, auch wenn sie Mohammed nicht als seinen letzten Propheten anerkennen. Der Koran fordert tatsächlich an vielen Stellen, 'die Ungläubigen zu töten', wenn sie sich nicht dem Islam anschließen und den Gesetzen des Koran unterwerfen. Dennoch ist das primäre Ziel des Terrorismus nicht, Menschen zu töten, sondern Angst und Schrecken zu verbreiten. Wie ein bockiges, schreiendes Kind, das seine Eltern so lange nervt, bis sie das tun, was es will: dass wir unsere Lebensweise ändern und uns den Regeln des Koran unterwerfen. Den Hintermännern geht es dabei meist um ganz andere Ziele. In der Regel geht es um Macht. Religiöse, politische oder schlicht wirtschaftliche Macht. Religiöser Fanatismus ist nur Mittel zum Zweck. Dennoch, ohne das Fußvolk gibt es keinen Terrorismus mehr. Wenn niemand mehr bereit ist, sich im Namen eines „Heiligen Krieges“ in die Luft zu sprengen. Der einzig sichere Weg, den Terrorismus zu bekämpfen ist also, ihn sinnlos zu machen. Den Terroristen zu zeigen, dass wir uns nicht ändern werden, egal, was sie tun. Eine Erkenntnis, die allen Eltern bekannt vorkommen dürfte: wenn man das quengelnde Kind ignoriert, hört es irgendwann auf. Reagiert man aber, macht es weiter.

 

Zeigen wir den Terroristen also den Mittelfinger, anstatt uns vor Angst zu verkriechen und unsere Freiheit zugunsten trügerischer Sicherheit aufzugeben. Wie es unser Justizminister Heiko Maas am Dienstag ausdrückte: "Wir werden nicht zurückweichen." und "wir werden uns unsere Art zu leben nicht nehmen lassen.". Hehre, medienwirksame und zudem auch noch wahre Worte. Auch wenn seine Bemühungen im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung eher in die entgegengesetzte Richtung weisen. Es wird dauern und es wird weitere Opfer kosten, aber es ist vermutlich der einzige Weg, den Kampf gegen den Terrorismus nicht zu verlieren: Bleiben wir standhaft, bleiben wir, wie wir sind, geben wir nicht nach. Und es ist die Aufgabe von Medien wie Politik, uns dabei zu unterstützen.

 

(E.A.M. 2016) J.-M.-G.

 

Quellen:

-Der Koran, Suren 5,82; 2,62; 3,110; 2,191; 4,89 u.a.

-Heiko Maas, dpa Pressemitteilung vom 18.11.2015

-Frank Henkel, Interviews vom 15.11.2015

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0