Zur Kommunikation der Kontaktierung: Erfolgreich Kontakte knüpfen

 Erfolgsaussichten von Networking-Plattformen im Internet.

 

Von Torsten Laub

 

Kern jedes Netzwerkes ist das "Kleine-Welt-Phänomen", das Ende der sechziger Jahre durch den Psychologen Stanley Milgram bekannt geworden ist (vgl. Milgram 1967 und Milgram & Travers 1969). Für einen wissenschaftlichen Feldversuch rekrutierte er 160 Personen aus  dem Südwesten der USA. Diese wurden vor die Aufgabe gestellt, einer ihnen unbekannten Personen am anderen Ende der USA, ein Päckchen zu übermitteln. Dabei durfte dieses jedoch nur an Freunde und Bekannte weitergegeben werden. Überraschenderweise traf das Päckchen nach sehr wenigen Stationen an seinem Bestimmungsort ein.

 

Diese Untersuchung begründete den populären Mythos, demzufolge alle Menschen auf der ganzen Welt maximal sechs Bekanntschaftsbeziehungen voneinander entfernt sind.

 

Auch heute, in Zeiten des Internets, kennt jeder jeden über durchschnittlich sechs Ecken. In einem erneuten Experiment haben amerikanische Soziologen das „Kleine-Welt-Phänomen“ bestätigt, indem sie E-Mails von circa 60.000 Freiwilligen aus 166 Ländern ausgewertet haben (vgl. Dodds, Muhamad & Watts 2003). Angelehnt an das Experiment von Milgram sollten die Teilnehmer des Projekts eine E-Mail so lange weiterleite       n, bis diese einen von 18 vorbestimmten Empfängern, von denen nur Daten wie Name, Beruf und Wohnort bekannt waren, erreichte. Etwa 400 E-Mail-Ketten kamen bei den Zielpersonen an. Dabei waren im Durchschnitt fünf bis sieben Weiterleitungen nötig.

 

Dieses Phänomen nutzen auch die Networking-Plattformen im Internet. „Social networking“ ist das Zauberwort und der neueste Trend der modernen Netzwelt. Unzählige Networking- Plattformen helfen Kontakte zu knüpfen, Bekanntschaften zu pflegen und alte Freunde wiederzufinden.

So erweitert sich durch das Internet das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten, auf die Menschen zur Pflege ihrer sozialen Netze zurückgreifen können (vgl. Rauchfuß 2003). Insbesondere Networking-Plattformen bilden eine Begegnungsstätte, in der sich Menschen treffen, kommunizieren und interagieren können. Interessant ist dabei, daß fast alle dieser Programme das eigene soziale Netzwerk visualisieren. So zeigen sie einem die Verbindungspersonen an, die zwischen einem selbst und einer beliebigen anderen Person stehen. In der Regel sind es weniger als sechs.

 

Eine kaum überschaubare Vielzahl artverwandter Networking-Plattformen aus allen Lebensbereichen konkurriert um die Gunst der Kontakthungrigen.   „Openbc.com“ dient als Business-Netzwerk zur Pflege und zum Anbahnen von Geschäftskontakten, „lokalisten.net“ verbindet die Party-Community einer Stadt und „stutivz.net“ oder „studylounge.de“ vernetzen Studenten aller Hochschulen und Fachbereiche. Einige Plattformen sind mit weit mehr als einer Million Mitgliedern sehr erfolgreich.

 

Trotz der großen Vielfalt und dem momentanen Erfolg, ist davon auszugehen, dass sich nur sehr wenige Networking-Plattformen dauerhaft durchsetzten werden. Die Mehrzahl dieser Plattformen wird in absehbarer Zukunft wieder so schnell verschwinden, wie sie einst aufgetaucht ist. Grund dafür sind Netzwerkeffekte, die insbesondere bei interaktiven Technologien, wie etwa auch Networking-Plattformen, zum Tragen kommen (vgl. Markus 1987). Diese Effekte sind ein wesentlicher Faktor, der deren Erfolgsaussichten bestimmt.

 

Interaktive Technologien zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen den einzelnen Nutzern erzeugen. Die Entscheidung sich bei einer Networking-Plattform anzumelden und dort dauerhaft aktiv zu sein, erfolgt nicht unabhängig von anderen Personen. Die einzelnen User stehen untereinander in Wechselwirkung. Je mehr andere bei einer Networking-Plattform angemeldet und aktiv sind, desto größer ist der Nutzen des Gesamtnetzwerkes und damit für alle Teilnehmer. Denn was soll man in einer Networking- Plattform, in der man seine Bekannten nicht findet?

 

 

Je mehr Mitglieder eine derartige virtuelle Gemeinschaft aufweist, desto höher ist die Funktionalität des gesamten Dienstes. Denn zum Netzwerken braucht man Partner, also andere Teilnehmer. Dies ist eine Besonderheit von interaktiven Gütern. Mit der zunehmenden Anzahl an Autofahrern steigt ja nicht der Nutzen für den Einzelnen. Es ist eher das Gegenteil der  Fall, denkt man an die vielen Staus auf Deutschlands Straßen (vgl. Schlüter 2002).

 

Infolgedessen zeigen sich bei interaktiven Technologien charakteristische Gesetzmäßigkeiten. Am Anfang ist aufgrund (noch) geringer Teilnehmerzahlen die Nachfrage sehr gering. Ab einer gewissen Anzahl an Anwendern kommt es jedoch zu einem schlagartigen Anstieg der Nachfrage und der Neuanmeldungen. Dieser Punkt wird als kritischer Massepunkt bezeichnet (vgl. Mahler & Stoetzer 1995). Denn da jeder Teilnehmer den Nutzen des Dienstes erhöht, nehmen die Anreize teilzunehmen mit jedem Teilnehmer zu. Zudem wächst mit zunehmender Mitgliederzahl die Wahrscheinlichkeit, dass weitere User hinzukommen, da zufriedene  Nutzer die Networking-Plattform weiterempfehlen und andere anwerben.

 

Es ist daher sehr wichtig in der Anfangsphase eines derartigen Dienstes möglichst schnell möglichst viele Mitglieder zu gewinnen. Dies zeigt sich bei den Networking-Plattformen sehr anschaulich in den zahlreichen Bemühungen um Neuanmeldungen. Beispielsweise verlost das Studenten-Netzwerk „unister.de“ unter seinen neuen Mitgliedern lukrative Geldpreise und wer neue Mitglieder anwirbt, erhält lohnende Prämien. Umso verwunderlicher, dass „lokalisten.de“ Zugangsbeschränkungen zu seinem Portal hat. Nur wer von einem registrierten Nutzer eingeladen wird, kann an diesem Netzwerk teilnehmen. Derartige Eintrittsbarrieren sind entsprechend der vorangegangen Argumentation völlig kontraproduktiv.

 

Erreicht ein interaktiver Dienst nicht die kritische Masse an Nutzern, wird er am Markt scheitern. Daher gibt es für eine interaktive Technologie nur zwei Möglichkeiten: „all or nothing“ (vgl. Markus 1987). Entweder sie erreicht bei steigenden Wachstumsraten an Nutzern ihre Sättigungsgrenze oder sie kann nie genügend Nutzer überzeugen, da die kritische Masse nicht erreicht wurde. Den Networking-Plattformen steht also ein ähnliches Schicksal bevor, wie den Online-Auktionsbörsen . Auch hier konnte sich nur „ebay.de“ durchsetzen, da es dort im Vergleich zu den anderen Börsen am meisten Artikel zu ersteigern und am meisten potenzielle Käufer gab. Einzige Chance weniger erfolgreicher Networking-Plattformen sind thematische  Nischen mit speziellem Publikum.

 

Dodds, P. S.; Muhamad, R. & Watts, D. J. (2003). An Experimental Study of Search in Global Social Networks. Science, 301,827-829.

 

Mahler, A. & Stoetzer, M.-W. (1995). Die Diffusion von Innovationen in der Telekommunikation. Berlin u.a.: Springer.

 

Markus, L. M. (1987). Toward a „Critical Mass“ Theory of Interactive Media. Communication Research, 14, 491-511.

 

Milgram, S. (1967). The Small World Problem. Psychology Today, 2, 60-67.

 

Milgram, S. & Travers, J. (1969). An Experimental Study of the Small World Problem. Sociometry, 32, 425-443.

 

Rauchfuß, K. (2003). Sozi@le Netze. Zum Wandel sozialer Netzwerke durch die Nutzung des Internets. Marburg: Tectum.

 

Schlüter, A. (2002). Technischer Fortschritt durch Informations- und Kommunikationstechnologien. Historical Social Research, 27(1), 171-189.

 

Th. L.

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