La-dolce-Vita-Star Anita Ekberg im Berliner Hebbeltheater

Anektoden einer vergangenen Film-Ära

 

Von Fred Linde

 

 

 

 Was haben Dieter Kosslick und Moritz de Hadeln, die Filmhistoriker Ulrich Gregor und Wolfgang Jacobsen gemeinsam? Sie alle lieben auch Filmklassiker und deren Künstler.  Zur Berlinale 2013 lud Dieter Kosslick den letzten Star der Dolce-Vita-Ära ein.

 

An einem Tag im Berliner Winter der Internationalen Filmfestspiele Berlin („Berlinale“) überraschte Anita Ekberg die Filmwelt:

 

 

Ein Ereignis gerät am Rande der Berlinale 2013 fast zur Marginalie, das eigentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, nämlich im Rahmen eines Workshops: am altehrwürdigen Kreuzberger Hebbel-Theater hielt ein etwas in Vergessenheit geratener Star vergangener Tage vor einem vornehmlich aus Studenten der Filmwissenschaft und Journalisten bestehenden Publikum Hof und begeisterte die Anwesenden mit Anekdoten aus seinem bewegten Leben.

 

Anita Ekberg, glamouröse Diva der 60er Jahre und Ikone einer Generation von Kinogängern, die sich ihrer vornehmlich wegen einer Szene des Fellini-Film „La dolce vita“ erinnern, die sie sinnlich und lasziv in den Fluten des römischen Trevi-Brunnen zeigt (Kuriosität am Rande: Die Dreharbeiten fanden im Januar statt und in dieser Jahreszeit hat selbst im mediterranen Italien das Wasser keine angenehmen Temperaturen) hatte zu einer vergnüglichen Frage- und Antwortstunde geladen und gestattete Einblicke in ihr Leben.

 

Erheiterndes wußte die ehemalige „Miss Schweden“ auf die Bemerkung einer Journalistin, ob sie nicht auch zur „Miss Welt“ (Wie einst der deutsche Star Petra Schürmann) gekürt worden sei, wiegelte Anita  Ekberg bestimmend ab: NO! I was only Miss Schweden... Not more...!“

 

Sie erfreute sich sichtlich selbst daran, über die Dreharbeiten an der Seite einiger der größten Hollywood-Stars zu berichten, Stars, die den Begriff noch damals verdient hatten und sie begeisterte auch das Film-Fachpublikum der Berlinale im kalten Februar 2013. Einst war der Sänger und spätere Schauspieler Frank Sinatra ihr Co-Star aus „Vier für Texas“. Der Robert-Aldrich-Western von 1963 hatte ein Staraufgebot, von dem man heute nur träumen könnte: Dean Martin, Charles Bronson, Ursula Andress und Jack Elam brillierten in dem Western vor 65 Jahren. Erstaunlicherweise berichtete sie nichts von den Co-Stars, die nicht minder interessant waren als jener: Frank Sinatra sei ein äußerst loyaler Mann gewesen, der durchaus reserviert war, aber hatte er erst einmal für jemanden Sympathie empfunden, wäre er für diesen Menschen durch dick und dünn gegangen. Anita Ekberg war damals eine Schönheit mit ganz besonderem Auftritt, der durchaus sexuell aktive Frank Sinatra habe – obwohl er immer in Ehen war – alle Damen, die nicht bei 3 auf den Bäumen waren - "angemacht" (würde man heute sagen): Er habe ihr sogar einen Heiratsantrag gemacht. Frank Sinatra - wie viele andere Schauspieler jener Zeit - hätte die heutige MeToo-Debatte niemals unbeschadet überstanden.

 

In warmherziger Erinnerung hatte sie auch Marcello Mastroianni, der auch als schwieriger Künstler galt: A very nice man“. Matroianni rauchte zwar Kette und war dem Rotwein ebenfalls nicht abgeneigt und zu Fremden sehr zurückhaltend, hatte aber auch er Feuer gefangen, zeigte er sich als Gentleman, gerade auch zu Anita Ekberg.

 

Als einer der Pressevertreter sie hingegen nach ihrem anderen Kollegen aus „La dolce vita“ ( Im deutschsprachigen Raum auch gelaufen unter „Das süße Leben“) befragte, verdunkelten sich die Gesichtszüge der Diva: Es ging um den gerade in Deutschland durch Horst Wendland zum Kultstar aufgestiegenen Lex Barker (Old Shatterhand), der selbst wieder in der heutigen Jugend neben Pierre Brice (Winnetou) und Stewart Granger (Old Surehand) kritiklos verehrt wird: Oh my God... He was drunk every time... One film with him was one too much...“, Lex Barker wäre ständig betrunken gewesen und seine Filme entbehrlich. .....Gelächter im Publikum – Erstaunlich die unterschiedlichen Sichtweisen. Inwieweit das nun der Wahrheit entsprach oder aber nur filmreif inszeniert worden war: Anita Ekberg ließ das Podium darüber mit einem verschmitzten Lächeln im Unklaren. Wenn man Recherche zu den Hintergründen der Karl-May-Filme betreibt, stößt man unweigerlich auf die Aussagen der kürzlich verstorbenen Karin Dor, deren damaliger Ehemann Harald Reinl einige der Horst-Wendland-Filme inszenierte: Lex Barker war eine Seele von Mensch, allerdings war er bekannt für seinen Geiz! Die Dreharbeiten in Jugoslawien fanden zur Zeit des Geburtstags von Lex Barker statt, seine vorgesehene Geburtstagsfeier blies Lex Barker ab, weil sie ihm dann zu teuer erschien!“

 

Wie ihre Beziehung zu ihrem großen Entdecker und Förderer Federico Fellini gewesen sei, wurde aus dem Publikum gefragt: dabei ließ die Schauspielerin sich kurz Bedenkzeit und entgegnete: alle Kollegen hätten zu seinen Lebzeiten ständig mit Fellini in Kontakt gestanden, kaum war er gestorben, meldete sich keiner mehr bei seiner Witwe Giulietta Masina. Einzig sie selbst habe den telefonischen Kontakt noch gesucht und so lange aufrechterhalten, bis Masina ihrem Mann folgte und schon 1 Jahr später starb.

 

Es brach Heiterkeit im Theatersaal aus, als die Schwedin sich süffisant darüber mokierte, wie die Produzenten auf den Gedanken gekommen seien, sie neben John Wayne und Lauren Bacall in dem Abenteuerfilm mit „Der gelbe Strom“ als Chinesin zu besetzen: Me as a Chinese? Very exciting!“ Bezüglich ihrer bekanntesten Rolle in „La dolce vita“ gab die Ekberg den Anwesenden zu, daß sie - wegen der eingangs erwähnte niedrigen Wassertemperaturen - die Brunnenszene am Fontana di Trevi nur unter Alkoholeinfluß meistern konnte, eine Szene, die später weltberühmt werden sollte, die Fellini sie immer und immer wiederholen ließ. Am Ende hatte sie so viel Gin intus, daß sie sich über Federico Fellini erbrach...

 

Nach gut zwei Stunden beschloß Anita Ekberg den Abend, eines von wahrscheinlich der Mehrheit der Besucher als kurzweilig und unterhaltsam empfundenen Zusammentreffens von jungen Nachwuchs-Filmschaffenden und Journalisten mit einem gut aufgelegten ehemaligen Sexsymbol, an dem die vergangenen 81 Jahre dennoch nicht spurlos vorüber gegangen sind.

 

Ganz Diva signierte sie noch einige Hochglanzbilder, die ihr am Bühnenrand entgegen gestreckt wurden, vielmehr ließ sie sie sich zureichen; aufgrund eines Unfalls ist sie seit einiger Zeit auf Gehhilfen angewiesen und so entschwand Anita Eckberg nach wenigen Minuten in den Backstage-Bereich des Theaters.

 

Nicht nur Filmnostalgiker kamen in einen besonderen Berlinale-Genuß, sondern auch Filmstudenten, die die Stars vergangener Tage erst neu kennenlernen. Die Resonanz ist jeweils groß.

 

 

(E.A.M. exclusiv: F. L., 02-2013)

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