Roman Polanskis Musical   "Tanz der Vampire" - seit 2006 in Berlin - Theatralik contra Cineastik

 

 

 

                                                                                                                                                                        Von Ramin Rowghani

Rückblick: Die Berliner Premiere

 

Seit Dezember 2006 ließ sich die Stage-Holding allerhand Originelles einfallen, um auf das 1997 geschriebene neue Musical „Tanz der Vampire“ aufmerksam zu machen. Das Theater ist mit einer Schloßprojektion zum Dracula-Schloß mutiert und im Foyer über den vielen hübschen Eingangstüren wacht ein klassisches metergroßes Dracula-Gebiß über das Berliner Publikum, ein Gang im typischen DDR-U-Bahnhof Alexanderplatz (wie ihn Egon Krenz und Erich Honnecker liebten) ziert Szenen des aufwendigen Polanski-Musicals.

Der Samstag vor der Premiere im Jahr 2006 galt allein den fröhlich eingestimmten Journalisten, von den Freien, die nun ihre Kritiken oder Fotos vielen Zeitschriften und Internet-Portalen anbieten werden über diverse Rundfunk-Sender bis hin zum seriösen Tagesspiegel war eigentlich alles vertreten, was in Berlin Rang und Namen hatte.

 

Die freundlichen Pressedamen und –Herren der Stage-Holding, allen voran Kerstin Schweiger und Andreas Künne waren mit ihren zahlreichen Mitarbeiterinnen sichtlich bemüht, es allen recht zu machen. So begann das Zweitagesspektaktel wohlgestimmt, fröhlich, erquickend und spannend. Bei soviel Betreuung und Mühe hätte sich Star-Regisseur Roman Polanski, zu der Zeit 73, ruhig ein paar Schnitzer erlauben dürfen, die Presse hätte vielleicht gemildert geurteilt.

Die Schnitzer waren tatsächlich drin, aber weil das Gesamtkunstwerk gelungen war und auch das Publikum an beiden Tagen kein einziges Mal buhte, sondern dem rüstigen polnischen Kult-Regisseur sogar stehende Ovationen bot, wie wir sie nur bei Johannes Heesters im Admiralspalast zu seinem 104. Geburtstag erlebten, blieben die Rezensenten erstaunlich gelassen.

 

Die Boulevard-Presse ist ja bekanntlich am schnellsten, so schrieb die BZ bereits am Montag früh, zu der Zeit, wo noch bis in den frühen Morgen hinein auf drei Etagen im gruselig-schön geschmückten Theater des Westens wild gefeiert wurde: „Ihre Vampire brauchen mehr Biß, Herr Polanski“ und der BZ-Kultur-Chef und Filmliebhaber Hans-Werner Marquard urteilte schärfer: „Einmal Erfolg – immer Erfolg, denken manche Künstler und reiten ihre Hits für viel Geld zu Tode (…aufs Musical bezogen…:) Sicherlich höchst erfolgreich. Aber an seinen Film darf man dabei nicht denken.“ Barsche Worte, die zum Teil stimmen. Sein Schreiberling, der dann fortsetzt, hält sich auch nicht zurück und donnert wenig differenziert kurz und knapp fürs Volk, nachdem Handlung und Äußeres angerissen wurden: „Viel Musical-Einheitsbrei“ und ortet nur einen Hit, der auch noch fast eine Kopie von Bonnie Tylers „Total Eclipse Of The Heart“ ist.

Der Blick in den (sonst seriösen) Tagesspiegel am 11. Dezember 2006 brachte aber auch nicht viel mehr zu Tage als die BZ. Wie kommt das? Mit „Durst auf Blut“ übertitelt schreiben die Kollegen viel von dem Drumherum, was nicht nur legitim, sondern in unserer heutigen Vielfalt der Mediengesellschaft zur Stimulation sicher auch sinnvoll ist, aber eine echte Kritik blieb aus. Wir erfahren, daß die Stage-Entertainment ein Besuchertief hatte und mit „Tanz der Vampire“ wieder rauskommen möchte, daß Polanski eine halbe Stunde verspätet zur Premiere erscheint, was auch mit der Autofahrt vom benachbarten Kempinski zu tun hätte, daß zwar auf der Einladung stand „Smoking“ und nicht nur Frank Zander im Dracula-Kostüm erschien (Sein Song "Ich bin der Ur-Ur-Enkel von Frankenstein" ist uns noch im Ohr). Wir erfahren auch von Produktionsproblemen des 40Jahre zurückliegenden Films, soweit so gut, aber wo bleibt die Kritik zum Musical und vielleicht der Vergleich zum Film. Nun versuchen wir es.....

 

Tanz der Vampire - Der Film - Das Musical

 

Anfang der 90er Jahren betitelte ich eine Seminararbeit im Fachbereich Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, seinerzeit untergebracht in der legendären Berliner PH in Lankwitz, beim damaligen Dozenten Dr. Gerhard Schumm, der heute Professor an der (DDR-)Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf ist mit: „Professionelle Perfektion Polanskis – Hintergründe zu `Tanz der Vampire"    Die Berliner Aufführung des Musicals (Grusicals) an der Kantstraße würde ich nicht mehr so behymnen.

Im Laufe der Jahre sind einige Schauspieler und Sänger ausgetauscht worden, einige immer wieder besetzt, letztendlich blieb alles in großen und ganzen beim alten.

 

Die erste Szene ist Polanski wahrscheinlich deshalb gelungen, weil sie fast 1 zu 1 dem Film entspricht und das Publikum in eine sentimentale Stimmung versetzt. Wer hat ihn nicht gesehen, damals vor mehr als 40 Jahren, vor 20 Jahren oder heute? Zumindest die Amerikaner, für den er auch gedreht war, lehnten Polanskis Gruselkomödie ab. Das prüde Amerika kritisierte die angeblich zu nackte Sharon Tate, der letzte Schnitt war nicht dem damals jungen Regisseur gestattet, sondern dem US-Produzenten Martin Ransahoff, mit dem es ohnehin allerhand Probleme gab und Polanski sagte zur Uraufführung des Musicals 1997, daß er den Film nach Jahren noch mal gesehen hätte und zunächst die Fehler entdeckt hätte.

 

Das Kuriose ist, daß man diese im Film nach der neueren Fassung nicht sah, Roman Polanski dann aber nun welche in sein Grusical einbaute, die dem Publikum offensichtlich nicht besonders auffielen. Die markige Figur Anthropologie-Professor Abronsius aus Königsberg, der wegen unwissenschaftlicher Thesen seinen Lehrstuhl in Königsberg verlor, macht sich mit seinem jungen Adlatus Alfred (im Film Roman Polanski selbst und hier Alexander Klaws) auf nach Transilvanien, um dem vermuteten Vampirtreiben ein Ende zu bereiten. In den ersten 20 Minuten zeigte der Altmeister, woher das Musical stammte und säße man nicht im festlichen Theater des Westens, dann hätte man fast gedacht, man würde sich den Film von 1967 anschauen. Nur die (zu) junge Stimme des Abronsius-Schauspielers Veit Schäfermeier machte stutzig. Eine jugendliche (Knaben-)Stimme für einen alten kauzigigen Albert-Einstein-Verschnitt, das war irgendwie eine Art Anachronismus, die Veit Schäfermeier nur dadurch wettmachte, daß er exzellent den Abronsius verkörperte und sogar die Bewegungen wie Jack McGowran im Film übernahm, obwohl er im anschließenden Gespräch auf der Premierenfeier vor einem Jahr eingestand, den Flm gar nicht richtig zu kennen, um sich nicht irritieren zu lassen. Ähnliches sagte mir einmal der damals ebenfalls im Haus ansässige langjährige Leiter Helmut Baumann („Ein Käfig voller Narren“), dessen Name untrennbar mit dem Theater des Westens verbunden bleiben wird, ob er sich die kurz vorher im Berliner Schillertheater unter Wolfgang Boksch gezeigte Richard-Chamberlain-Version ("Die Dornenvögel") von „My Fair Lady“ angeschaut habe. Chamberlain hatte hier großen Erfolg, Helmut Baumanns Higgens war ein Flop, obwohl er als Theater-des Westens-Intendant glänzendes geleistet hatte. Auf meine Frage bei der damaligen Premierenfeier, die meist sehr offen für alle Zuschauer gestaltet war, ob er sich den legendären Richard Chamberlain vor ein paar Wochen angeschaut habe, antworte der Theater,- Musical- und Intendantenguru Helmut Baumann: "Nein...(Auf Nachhaken von mir, warum nicht?)....ich wollte mich nicht irritieren lassen!"

 

Gerade erholt man sich von der Jugendstimme des weißhaarigen Altprofessors, da kommt der nächste Schreck auf einen zu: Vor einiger Zeit nervte uns Dieter Bohlen mit „Deutschland sucht den Superstar“ und schon stand einer dieser Jünglinge als Alfred auf der Berliner Bühne. Dafür, daß Alexander Klaws aus jener Richtung kommt, machte er sich ganz gut als (Polanski-)Alfred und Polanski soll wohl auch ganz zufrieden mit ihm gewesen sein, aber die nötige nervöse Tolpatschigkeit und Naivität des kleinen unbedarften Uniassistenten konnte er in keiner Szene demonstrieren.

Die Story wurde ein bißchen zusammengestrichen, Glamour und beeindruckende Tanzszenen ließen aufschauen, der jüdische Gastwirt Yoine Chagall (Ulrich Wiggers) und seine Frau Rebecca (Maike Katrin Schmidt) waren den Figuren aus dem Film wie aus der Leinwand geschnitten, die kleine Sarah (Lucy Scherer), Angebetete  von Alfred und dem Vampir Graf von Krolock, zeigt sich zwar als niedliches Mädchen, kann aber der herrschaftlich anmutenden Schönheit Sharon Tate in keiner Weise das Wasser reichen. Thomas Borchert erntet als der Vampir-Graf tosenden Applaus, er sang, tanzte und bewegte sich sportlich, aber einen aristokratischen Ferdy Mayne, der Graf von Krolock im Film eindrucksvoll verkörperte, darf man nicht daneben stellen. Aber wer weiß, wie Ferdy Mayne und alle anderen Originalschauspieler im Musical gesungen hätten und aufgetreten wären? Große Filmschauspieler hatten oftmals riesige Probleme auf der Bühne und besonders im Musical.

Der zweite Teil gewinnt an Schwung, mehr Tanz, flottere Musik, schnelle Szenenewechsel, die Polanski sehr schön ineinander übergehen ließ, Moderne Musik gepaart mit Elementen romantischer Musik, wie sie damals das polnische Musik-Genie Kristof (Christopher) Komeda für den Film Tanz der Vampire und Rosemary´s Baby komponiert hatte. Manchmal paßte das Moderne nicht zum Romantischen, aber der Zuchauer kann damit leben. Der Höhepunkt, der so ergreifend im Film als Menuett musikalisch und tänzerisch inszeniert war, verfiel hier in ein Kauderwelsch von alt und neu, irritierte ein wenig, blieb aber doch spannend, während des Tanzes wird Sarah dramatisch entführt.

 

 

Die im Film so rasante wie erschreckende Szene der langen Schlittenfahrt von Abronsius, Sarah und den im Schlitten von Sarah gebissenen Alfred, der dann das Böse in die Welt trug, wie es der Off-Sprecher verkündete, ist in der Musical-Version leider sehr lasch, lahm und einfallslos wiedergegeben: Der Biß erfolgte in irgendeinem Feld und Abronsius kauerte nebenan: "Wir haben Null Moral, raus aus dieser Welt, es ist uns scheißegal" sangen dann die Vampire. Wenn man nicht wüßte, daß der Altmeister Roman Polanski Regie führte, der ein insgesamt spannendes und sehr aufwändiges sehenswertes Musical präsentierte, ohne seine Wurzeln zu verleugnen, dann hätte man gedacht, es wär ein Assistent gewesen. Vielleicht ein so unbedarfter Assistent, wie ihn der Alfred in dieser Musik-Fassung verkörpert. Dennoch: Wer sich für die Mythen und die Möglichkeit ihrer oder einer doch besonderen musikalen und optischen Umsetzung um Christopher Lee, Bela Lugosi, Boris Karloff oder Roman Polanski interessiert, der sollte die geplante Wiederaufführung 2016 in Berlin nutzen, um das schöne Traditionshaus am Bahnhof Zoo zu besuchen und den dann doch recht ordentlichen Tanz der Vampire genießen.

(E.A.M 12- 2006 - 2016) R.R.

 

 

"Tanz der Vampire" im Theater des Westens (Stage Entertainment) - Kantstr. 12 am Bahnhof Zoo in Berlin-Charlottenburg,

 2016 Wiederaufnahme in Berlin. Am Theater des Westens derzeitig in Pause.

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