Von Sarah Bergmann
Lars Kraumes Film „Keine Lieder über Liebe“ (E.A.M. 30. Nov. 05)
Das zentrale Thema in Lars Kraumes Film „Keine Lieder über Liebe“ (D 2005) läßt sich unschwer erraten: es ist die Liebe, natürlich. Konkreter gesprochen geht es um eine Dreiecksgeschichte, die sich zwischen zwei Brüdern und der Freundin des jüngeren Bruders abspielt. Tobias Hansen (Florian Lukas) verdächtigt seine Freundin Ellen (Heike Makatsch) ihn mit seinem Bruder Markus (Jürgen Vogel) betrogen zu haben, als sie Markus vor etwa einem Jahr in Hamburg besuchten. Um zu erfahren, was er schon immer wissen wollte, aber nie zu fragen wagte, beschließt Tobias, die beiden erneut miteinander zu konfrontieren.
Als angehender Regisseur begleitet Tobias seinen Bruder, welcher Leadsänger der „Hansen Band“ ist, mit der Kamera auf dessen Tournee und nimmt Ellen mit. Der Film, der mit einer Handkamera und ganz nach den Regeln des Dogma-Manifests gedreht ist, beginnt somit als eine Art Dokumentation über die „Hansen Band“. Diese Band, die melancholisch angehauchten Gitarrenrock spielt, gibt es wirklich, sie besteht neben Sänger Jürgen Vogel aus Mitgliedern der Hamburger Indie-Formationen „Tomte“ und „Kettcar“. Auch die Tournee, die durch kleine, verrauchte Clubs in Hannover, Bremen, Oldenburg und weiteren norddeutschen Städten führt, hat tatsächlich stattgefunden. Jürgen Vogel gibt glaubhaft den abgeklärten, unsentimentalen, dabei doch verletzlichen Rocksänger, zu dem Textzeilen, wie die folgenden aus dem Song „Alles teilen“, gut passen: „... zwischen Raufaser und Wand klebt die Hoffnung fremder Leben, klebt die Sehnsucht nach was Neuem, kleben Bahnen von Tapeten. An den Kaffeeautomaten stehen wir und warten und wir geben unserer Zukunft ein Zuhaus. ...“
Wenn die Musik der „Hansen Band“ auch den ganzen Film untermalt, so verschiebt sich der Fokus doch zunehmend auf die drei Protagonisten. In ungeschliffenen Dialogen (es gab kein Drehbuch, alle Gespräche sind improvisiert!) philosophieren Tobias, Ellen und Markus über Fragen wie z. B., ob jeder Mensch eine Maske trägt und ständig eine Rolle spielt, oder, ob Freie Liebe und Verliebtsein miteinander kompatibel sind. Zu Anfang bleiben die Diskussionen scheinbar im abstrakten, doch zwischen den Zeilen spielt die angespannte Beziehung zwischen Tobias und Ellen, sowie das ebenfalls mit Spannung geladene Verhältnis von Ellen und Markus immer mit rein.
Später wagt Tobias die offene Aussprache mit Ellen, es kommt zu quälenden Gesprächen in trostlosen Hotelzimmern. „Wir werden alle alt und einsam sein“, prophezeit eine desillusionierte Ellen. Ein Beispiel dafür liefert die Mutter der Hansen-Brüder, welche beim Konzert ihres Sohnes zwar fröhlich und ausgelassen tanzt, letztendlich aber aus ihrer alkoholvernebelten Welt, in die sie sich nach mehreren gescheiterten Beziehungen flüchtete, nicht mehr auszubrechen vermag.
„Keine Lieder über Liebe“ bietet dem Zuschauer kein happy-end. Aber dafür ein hohes Maß an Authentizität.
S.B.
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