Medienpädagogik: Standardisierung von E-Learning

Standardisierung von E-Learning: Realität oder futuristische Träumerei?

 

 

Von Ramin Rowghani und Christian Hauer

 

Wer einmal bei Prof. Dr. Ludwig J. Issing, Medienpsychologe und Medienpädagoge an der FU-Berlin, studiert hat und an seinem Lehrstuhl im Gebäude der Lankwitzer PH seinen modernen Medienpädagogischen Ansätzen gelauscht hat, wurde stets animiert im Medienpädagogischen- und Medienpsychologischen Bereich sehr moderne Wege zu gehen und sich insbesondere den amerikanischen Forschungen auf diesem Gebiet zu widmen. Trotz seiner Emeritierung gibt Prof. Issing sein Wissen den Studenten auch in den neuartigen Bologna-Studienformen weiter, die z.B. vom Bildungstheoretiker Jürgen Raschert zum Ende seiner Laufbahn als Anbiederung an Europa und den USA scharf tadelte, nicht aber Online-Kurse, wie sie Ludwig J. Issing heute noch gibt, sondern noch bis zum 70. Lebensjahr. Prof. Raschert war da altmodisch.  So lehrt Issing hingegen die Inhalte entsprechend in der E-Learningform und war an der Freien Universität der Vorreiter dieser Kurse, wenn auch erst im Pensionsalter. Aber das kann einen Vollblutwissenschaftler von nichts abhalten. 

 

,,Die Informations- und Kommunikationstechnologie in Form von Multimedia und Internet hat in alle Bereich der Bildung Einzug gehalten“ (Schaumburg & Issing 2004, S. 718). Schon Benjamin Franklin schien sich mit der Thematik des E-Learnings auseinander gesetzt zu haben, indem er sagte: ,,Tell me and I forget, teach me and I remember, involve me and I learn.“ Der Terminus ,E-Learning’ (electronic Learning) soll alle diese interaktiven Lernformen unter einem Hut bringen. E-Learning ist Lernen mit elektronischen Medien und umfasst die älteren Begriffe CBT (computer based training) und WBT (web based training). Nur wie steht es mit einer systematischen Vereinheitlichung dieser modernen Wissensvermittlung aus? Um das gemeinsame Verstehen respektive ,Grounding’ von medial vermittelten Lerninhalten auch in der Zukunft zu gewährleisten, ist die Einführung von einheitlichen Standards im E-Learning-Bereich unumgänglich (vgl. Weidenmann/Paechter & Schweizer 2004, S. 746ff.). Mit Standardisierung von E-Learning sind Richtlinien gemeint, nach denen Lernprodukte verschiedener Hersteller so vereinheitlicht werden können, dass sie untereinander passfähig sind. Das schafft Investitionssicherheit und funktionale Vorteile (vgl. Gerstmann 2004).

 

Bis dato haben die Standardisierungsversuche des E-Learnings nur eine unüberschaubare Anzahl an Abkürzungen und Akronymen hervorgebracht. Fakt ist aber, dass sich bisher noch kein Standard definitiv durchgesetzt hat. Doch verglichen mit der Geschichte der International Organization for Standardization (ISO) oder des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN) handelt es sich noch um relativ junge Forschungsdisziplin. Die Historie aber hat gezeigt, dass große Technologieentwicklungen ihre Wirkung erst durch die Übernahme oder die Begründung von Standards entfalten konnten. Das Internet zum Beispiel hat erst durch Standards wie TCP/IP, HTTP und HTML einen Aufschwung erlebt (siehe http://elearning.anova.de). Faktisch existieren bereits diverse Spezifikationen, die daraufangelegt sind, eines Tages zum Standard zu mutieren. Von einer Standardisierung im eigentlichen Sinne ist man aber noch weit entfernt.

 

Im E-Learning-Bereich geht es bei der Standardisierung vorrangig um eine Vereinheitlichung von Anwenderschnittstellen in Lernmanagementsystemen und um die Reproduzierbarkeit von Lerninhalten in diversen Kontexten und Lernszenarien. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Einstieg in die Welt der Standardisierung kein leichtes Unterfangen ist. Das Ziel, Vereinheitlichung von E-Learning adäquat zu verteilen und bereitzustellen, wurde in den letzten Jahrzehnten übererfüllt (vgl. Hesse 2000). Hinter den Standardisierungs-Versuchen stehen unterschiedliche Interessengruppen. Die namhaftesten sind AICC (Aviation Industrie CBT Comittee) - eine Vereinigung der amerikanischen Luftfahrtindustrie, ADL (Advanced Distributed Learning) - eine Organisation des amerikanischen Verteidigungsministeriums, IMS Project (Instructional Management System) - eine Gruppe verschiedenster Provider und User von E-Learning-Angeboten, sowie IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) - eine amerikanische Normierungs-Institution. LOM (Learning Objects Metadata von IEEE) und SCORM (Shareable Courseware Reference Model von ADL) sind einige Ergebnisse dieser Bemühungen. Bisher jedoch ist keines davon ein Standard im eigentlichen Sinne und hat die hohen Hürden von ISO oder IEEE bewältigt (vgl. Gerstmann 2004).

 

In der IT-Branche denken Spezialisten zur Zeit vor allem über die Standardisierung des Referenzmodells SCORM nach. Hierbei geht es nicht um die Neuentwicklung eines Standards, sondern um die integrative Verwendung vorhandener Spezifikationen anderer Standardisierungsgremien in einem Einheitsformat. Aus http://elearning.anova.de geht hervor, dass SCORM eine Menge von miteinander in Beziehung stehender technischer Spezifikationen auf Basis der Entwicklungen durch IMS, ARIADNE, IEEE und AICC darstellt. Das Modell soll eine Mehrfachnutzung von webbasierten Lerninhalten über verschiedene Lernumgebungen und Produkte hinweg ermöglichen. Maßgebende Richtlinien bei der Entwicklung des Modells sind der einfache Zugriff (Accessability), die einfache Adaptierbarkeit (Adaptability), unkomplizierte Verwendung in verschiedenen Umgebungen (Interoperability), Beständigkeit gegenüber Weiterentwicklungen (Durability), Mehrfachnutzbarkeit (Reusability) und Erschwinglichkeit (Affordability).

 

Da SCORM vor allem in der US-amerikanischen Industrie zum Einsatz kommt, wird dieser Option mehr und mehr eine realistische Chance zugestanden, sich auch auf internationaler Ebene durchzusetzen. Auch GERSTMANN (2004) spricht sich für die SCORM-Variante aus, da SCORM auf dem aktuellen Stand der Technik (XML) basiert. SCORM wurde im Oktober 2001 in der Version 1.2 herausgegeben und ist heute bereits ein Industriestandard mit allgemeiner stetig wachsender Anerkennung. Zur Zeit arbeiten Wissenschaftler an der Weiterentwicklung der Version 2.0. Noch ist es aber ungewiss wie die zukünftigen Entwicklungen hinsichtlich der Standardisierung im E-Learning-Bereich voranschreiten werden. Es setzt sich offensichtlich der Trend durch, wonach SCORM gute Chancen hat, sich als potentieller E-Learning-Standard zu etablieren.

 

 

R.R. / Chr. H.

 

 

Bibliographie

 

Gerstmann, S. (2004).Wozu nutzen E-Learning-Standards. [Online], 1 Seite. Verfügbar

unter: http://www.add-new-knowledge.de[1. 9. 2004]

 

Hesse, F. W. (2000). Neue Konzepte für die Lehre unter den Bedingungen der neuen Medien.

Beitrag zur Veranstaltungsreihe "Universitäten in der Wissensgesellschaft“. [Online], verfügbar unter: http://www.wissensgesellschaft.org/themen/bildung/neuemedien.htm[3. 9. 2004]

 

Issing, L.J. and Klimsa, P. (Hrsg.) (2009/2011) Online-Lernen. Oldenbourg Verlag, München. (a limited number of books are available from prof. Issing to a reduced student price).

 

Schaumburg, H. & L. J. Issing (2004). ,,Interaktives Lernen mit Multimedia“. In:

Mangold, R./Vorderer, P. & Bente, G. (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie. Göttingen et al.: Hogrefe, S. 717-742.

 

Weidenmann, B./M. Paechter & K. Schweizer (2004). ,,E-Learning und netzbasierte Wissenskommunikation“. In: Mangold, R./Vorderer, P. & Bente, G. (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie.Göttingen et al.: Hogrefe,

S. 743-768.

 

https://www.ewi-psy.fu-berlin.de/einrichtungen/arbeitsbereiche/medienpsychologie/

 

 

 

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